Café Profittlich
Rhöndorf. Adenauerort. Vorort der Bonner Republik.
Versteckte Winkel und Weinschwemmen, deren Inventar den Zeitenlauf scheinbar aufgesogen hat. Hier wirkt alles noch eine Nuance harmloser als im nahen Bonn, ideale Hinterzimmer für Politiker, Lobbyisten, Beamte, Militärs, Agenten. Figuren, wie sie in Wolfgang Koeppens berühmten Roman »Treibhaus« in der Bundeshauptstadt des Jahres 1952 ihre Fäden ziehen. Fast scheinen die patinierten Mauern das Bild des Abgeordneten Keetenheuve, der desillusionierten Romanfigur, freizugeben. Ein Idealist, Nonkonformist, Antifaschist, Moralist, Pazifist, der am Bonner Politikbetrieb scheitern mußte. In den verborgenen Rhöndorfer Nischen sind die Relikte dieser Adenauer-Zeit zu finden. Oft sind es Spuren skurrilen Erinnerns, die in düsteren Weinkellern und charmant-altmodischen Restaurationen lauern.
Rhöndorf. Adenauerort. Schauplatz einer legendären Provinzposse.
Alles begann mit der Idee des cleveren Peter Profittlich, Bäckermeister, CDU-Aktivist und Vorsitzender des Schützenvereins. Rhöndorf, so der kühne Plan, sollte Touristenmekka werden. Mit einer monströsen Seilbahn vom Café Profittlich zum Drachenfels! Der {Mächtige} vom Zennigsweg lehnte das Unruhe verheißende Projekt aus tiefster Seele ab, nahm fragwürdigen Einfluß auf die Rhöndorfer Kommunalpolitik.
Im Streit »{Kanzler} gegen Bäckermeister« wurde der Wortschatz des Profittlich Gegenstand überregionalen Interesses. Schließlich zitierte das Rheinische Original häufig und mit Genuß sein großes Vorbild Götz von Berlichingen. Klar, daß Adenauer, der {Erstaunlich Gelassene}, Sieger blieb. Was für den Drachenfels wohl besser war. Macht nichts, Peter Profittlich. Es bleibt die Erinnerung an den Mann mit gewendetem Bürgersinn, der Ehrenmitglied der Götzgesellschaft wurde!
Die Bilder
Gesundbeter waren am Werk, Deutschland war ein großes öffentliches Treibhaus, Keetenheuve sah seltsame Floren, gierige, fleischfressende Pflanzen, Riesenphallen, Schornsteinen gleich voll schwelenden Rauches, blaugrün, rotgelb, giftig, aber es war eine Üppigkeit ohne Mark und Jugend, es war alles morsch, es war alles alt, die Glieder strotzten, aber es war eine Elephantiasis arabum.
Wolfgang Koeppen
Sie kamen alle, Abgeordnete, Politiker, Beamte, Journalisten, Parteibüffel und Parteigründer, die Interessenvertreter im Dutzend, die Syndiken, die Werbeleiter, die Jobber, die Bestecher und Bestochenen, Fuchs, Wolf und Schaf der Geheimdienste, Nachrichtenbringer und Nachrichtenerfinder, all die Dunkelmänner, die Zwielichtigen, die Bündlerischen, die Partisanwahnsinnigen, alle, die Geld haben wollten, (…).
Wolfgang Koeppen
Karl Heinz Broel darf übrigens als einziger Winzer ein Portraitphoto von Konrad Adenauer auf seinen Etiketten bzw. Weinflaschen führen.
www.weingut-broel.de
Seine besten Weine setzte Adenauer gleichsam als taktische »Waffe« des Regierens ein, wie es Rainer Barzel formulierte. (…) Zum wohl berühmtesten Einsatz eines guten Weins durch Adenauer kam es während der Rhöndorfer Konferenz im August 1949. (…) Franz Josef Strauß berichtet (…): »Nach der Entscheidung für die Kleine Koalition öffnete sich Adenauers Keller. Hervor kam das Edelste vom Edlen, Weine, wie ich sie in meinem Leben noch nie getrunken hatte.«
Benjamin Behschnitt
In vino veritas
Konrad Adenauer im Gästebuch des Weinguts Broel (1947)
Bäcker gegen Kanzler
Dies ist die traurig-heitere Geschichte einer noch nicht gebauten Drahtseilbahn. (…) Wird Bäckermeister Profittlich siegen? (…)
Adenauer: Ich habe es nicht gern.
Hamburger Abendblatt (1953)
Rhöndorf feierte Schützenfest. Peter (Profittlich) »herrschte« auf dem Schützenplatz vor seinem Hause und ärgerte sich, daß er vom »Alten« dabei nicht gesehen wurde. Diesen Groll teilte er auch dem jüngsten Adenauer-Sproß Georg mit (…): »Kannst dinge Vatter sage, wenn er sich he nit blicke läßt, is er ne ….«, und dann folgte etwas Unaussprechliches (…).
Bergische Rundschau (1957)
CDU-Bundesvorsitzender Dr. Adenauer mobilisierte (….) seinen örtlichen Parteivorstand in Rhöndorf, um das einfache CDU-Parteimitglied Peter Profittlich zur Raison zu bringen.
Berliner Morgenpost (1953)
Adenauer gewinnt Seilbahnkrieg
Rhöndorfer Konditor gebraucht Götz-Zitat – Kanzler hat den längeren Atem.
Frankfurter Post (1959)
Sehr geehrter Herr Profittlich!
Den Widerstand Ihres Mitbürgers Dr. Konrad Adenauer gegen Ihr Seilbahnprojekt haben Sie nach uns vorliegenden Meldungen mit dem klassischen Götz-Zitat quittiert. (…) Mit dem Wunsche, dass der uralte Zauber des Götzwortes auch Ihnen helfen möge, verleiht der Götz-Forschungs-Verein LEMIA Ihnen hiermit den Götzpass Nr. 255.
Dokument vom 21. 2. 1959
Nach dem Zusammenbruch (…) kam Konrad Adenauer zu Profittlich und dankte dem Ex-Kommandeur des Rhöndorfer Volkssturms »für die Errettung und Erhaltung« des Dörfchens. Auf Profittlichs Befehl hatten die Volkssturmmannen die für Rhöndorf bestimmten Sprengkapseln und Dynamitladungen damals einfach in den Rhein geworfen.
Auszug aus der WAZ (1953) über eine Begebenheit im Jahre 1945
Rummel in Rhöndorf
»Etwas weniger wäre mehr gewesen«, klagt ein Rhöndorfer Pensionär und meint damit nicht etwa das angebliche 20-Millionen-Erbe des Alten, das die Familie als »reine Phantasie« dementierte, sondern den Pilgerstrom, der kurz nach dem Tode von Konrad Adenauer zur Grabhuldigung nach Rhöndorf aufbrach (…). Ein anderer Rhöndorfer (…) spöttelt zynisch: »Bei diesem Rummel wird es nicht mehr lange dauern, bis das erste Wunder am Grab geschieht«.
Die Zeit (1967)