{Konrad Adenauer}
Spurensuche. Was bewirkt der subjektive Blick auf die Dinge im Bewußtsein des Betrachters?
Da sind die Machtwerkzeuge im Arbeitszimmer des {Schlauen Fuchses}, des meist präzise wie ein Uhrwerk funktionierenden {Pragmatikers}. Oder Wegmarken, die der {Alte aus Rhöndorf}, ein {Großer Weichensteller} im kapitalistischen Nachkriegsdeutschland, in der sterngeschmückten Karosse fast täglich passierte. Spuren, die Erinnerungsbilder hervorrufen, tradierte Verweise auf die Leistungen des {Gründungspatriarchen} und {Kanzlerdemokraten}. Darunter übermächtige Bilder, die Emotionen wecken. Das Ende einer menschenverschlingenden Erbfeindschaft! Der {Große Europäer}! Die Rückkehr der Kriegsgefangenen! Der {Aufrechte Katholik}, im moralischen Vakuum Orientierung, Sicherheit, Absolution und Wohlstand verheißend. Wir sind wieder wer! Ein vollständiges Bild vom {Rosenliebhaber}?
Spurensuche. Ein Putto im Kanzlergarten. Das verwitterte, gespenstische Antlitz, die leeren Augen. Harmlos? Coventry. Dresden. Hiroshima. Atomgranaten? Wiederbewaffnung? Fragen tauchen auf. Die Schatten der totalitären Vergangenheit? Westintegration? Restauration? {Kalter Krieger}? Spiegel-Affäre? Präsidentschaftskrise? Herbert Frahm? Ludwig Erhard? Der Muff einer Ära?
Konrad Adenauer. Ein {Vielschichtiger} und {Widersprüchlicher}, der polarisiert. Und doch nicht zum Bild aus reinem Schwarz und Weiß taugt. Wie kommen die Graustufen hinzu? Der individuelle Blick auf die Dinge hilft, wenn er zu kritischen Fragen reizt.
Konrad Adenauer, {_______}?
Ohne die differenzierte Auseinandersetzung mit der historischen Überlieferung bleibt die Welt der Objekte vordergründig, evoziert allenfalls tradierte, kaum hinterfragte Geschichts-Bilder. Die Dinge sind nicht mit Geschichte aufgeladen, sie werden mit Geschichte aufgeladen. Welche Denkanstöße sie geben, hängt vom individuellen Blickwinkel ab. Es kommt auf die Fragen an.
Die Bilder
(…) dieses Porträt (steht) vor Adenauers wichtigster Doppelnatur, der des Idealisten und Realisten, des Machtpolitikers und des christlichen Staatsmanns. Diese Doppelanlage bildete das breite, gesunde Fundament für das gewaltige Werk.
Horst Osterheld
Denn obwohl er, weiß Gott, Patriarch und Autokrat genug war, war er doch zugleich auch ein Übergang zur Demokratie – ein demokratischer Patriarch, ein demokratischer Autokrat. Er gewöhnte die Deutschen an den Gedanken, daß Autorität und Demokratie nicht unvereinbar sind.
Sebastian Haffner
Auf irgendeine ungewöhnliche Weise hat er sich selbst in das Muster unserer Zeit hineingewebt.
Malcolm Muggeridge
Ihm war kaum ein Winkelzug zu abwegig, kein Umweg zu mühsam, kein Feilschen zu aufwendig, wenn es galt, Macht zu halten oder zu erobern.
Wilhelm von Sternburg
Der alte Adenauer (…) war ein Patriarch, dem eine katholische Kanzlerdemokratur als Ideal vorschwebte.
Rudolf Augstein

Ein Gasthaus an der Straße nach Niederdollendorf (Königswinter). Adenauer kam hier regelmäßig auf dem Weg zur Fähre nach Bonn vorbei.
Wichtigste Voraussetzung für Partnerschaft ist Vertrauen. Vertrauen zu uns Deutschen zu schaffen war (…) das oberste Gebot. Je schneller und je fester dieses Vertrauen zu uns wachsen würde, desto schneller würde das Ziel der Partnerschaft erreicht sein.
Konrad Adenauer
Meine Reise führte mich von New York nach Washington, von Washington über Los Angeles nach San Francisco, von dort nach Hawaii und dann nach Japan. Auf dieser langen Reise ist mir klar zu Bewußtsein gekommen, daß wir Europäer uns aus der Enge und Kleinheit Europas herausdenken müssen.
Konrad Adenauer
(…) Adenauer war ein Mann der Wirtschaft. Nicht in dem primitiven Sinn, daß er »vom Großkapital gekauft« gewesen wäre. Dazu blieb er Zeit seines Lebens ein viel zu unabhängiger Kopf, war er viel zu überzeugt vom eigenen Selbstwert. Aber seine Welt war nicht die des Arbeiters oder kleinen Angestellten, sondern die der Wirtschaftsführer und Bankiers.
Wilhelm von Sternburg
In den ersten Jahren Adenauerscher Kanzlerschaft (….) sind die Deutschen in der Bundesrepublik hochgradig labil. Labile Leute sind aber, wenn überhaupt, nur durch Wunder zu überzeugen. (…) Wer ist also jetzt der große Wundertäter? Nicht mehr Adolf Hitler, sondern Adenauer. Genauso wird es als Wunder empfunden, daß Deutschland wieder mit ungebremster Dynamik auf die Weltmärkte zurückkehren kann.
Hans-Peter Schwarz

»Heimkehrer-Skulptur« im Garten des Adenauerhauses zur Erinnerung an Adenauers Einsatz für die letzten deutschen Kriegsgefangenen in Rußland.
Im Lager begann die Glocke zu läuten. Die Wartenden rührten sich nicht. Über manches Gesicht rollten Tränen. Schließlich näherten sich die Omnibusse (…) Man hörte den Schrei einer alten Frau, die Ihren Sohn wiedererkannte.
Die Zeit vom 13. Oktober 1955
Wenn man in der Politik überhaupt von Wundern sprechen darf, dann verdient die Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich diesen Namen (…). Ihre Bedeutung für die beiden Nachbarvölker, für Europa und den Frieden in der Welt kann man nicht hoch genug veranschlagen. Hätte Adenauer nur dies Eine vollbracht – ein Platz in der Geschichte wäre ihm sicher.
Horst Osterheld
Vier großartige Taten hatte er denn auch vollbracht: den Bund mit dem Westen, die Aussöhnung mit Frankreich, das Zusammenzurren Europas und den Wiederaufbau Deutschlands. Eine fünfte, mindestens ebenso bedeutende Leistung kam hinzu; sie lag im moralischen Bereich. (…) Durch Adenauer erhielten wir noch einmal die Chance, aufzuschließen und mit den andern mitzumachen wie zuvor.
Horst Osterheld
Die taktischen Atomwaffen sind im Grunde nichts anderes als eine Weiterentwicklung der Artillerie (…).
Konrad Adenauer
Die Pläne einer atomaren Bewaffnung der Bundeswehr erfüllen die unterzeichnenden Atomforscher mit tiefer Sorge. (…) Wir halten (…) diese Art, den Frieden und die Freiheit zu sichern, auf die Dauer für unzuverlässig, und wir halten die Gefahr im Falle des Versagens für tödlich.
Aus dem Göttinger Manifest der 18 Atomwissenschaftler (1957)
Was ich am allerwenigsten begreife: daß je irgendeiner irgend etwas an Adenauers Gedanken »christlich« finden und als solches empfehlen konnte.
Heinrich Böll
Wir haben einen Abgrund von Landesverrat im Lande.
Konrad Adenauer im Deutschen Bundestag (1962)
Damals, vor 40 Jahren, verlor die Staatsgewalt den Schimmer der Unfehlbarkeit. (…) Die Eruptionen des Jahres 1968 hatten viele Ursachen (…). Was an Kulturrevolution davon in Deutschland geblieben ist, führt auch und unter anderem zurück zum SPIEGEL.
Rudolf Augstein über die SPIEGEL-Affäre (2002)