Keine Experimente?
Der {Zurückgezogene} in barbarischer Zeit.
In den Jahren der Bedrängnis durch die Nationalsozialisten fand Konrad Adenauer im neu erbauten Rhöndorfer Haus zur höchst eigenwilligen Krisenbewältigung. Da war der Garten, der ihm schon in seiner Kindheit Entfaltung und Abgrenzung vom gestrengen Vater versprach. Und da war die Rolle des {Erfinders}, Rückzugsgebiet eines Menschen, für den die Einsamkeit ständiger Begleiter auf der Suche nach Glück war.
In der Zeit der Zwangspensionierung nimmt die Tragik skurrile Züge an:
Man nehme eine handelsübliche Bürste, versehe diese mit kunstvoll gewirkten Elektroden und einer elektrischen Zuleitung, tränke die Konstruktion mit einer leitfähigen Flüssigkeit, zweige aus der Mehlwurmzucht unter dem Dachboden eine Handvoll (noch) quicklebendiger Probanden ab, verbinde den Apparat mit dem Stromnetz…
Halt! meldet der Menschenverstand, hier besteht Lebensgefahr für beide Seiten. Adenauer, {Politikerlegende} und {Schöpfer des Elektrischen Insektentöters}, woran mag der {Kreative} im Schaffensprozeß gedacht haben?
Die Erfinderrolle gehörte zum Arsenal der Schutzschichten, die den {Rätselhaft Unnahbaren} umgaben. Dabei war das Haus des {Bocciaspielers} Bastion gegen unerwünschte äußere Einflüsse. Unpolitisch war hier wenig, auch nicht das als Leitbild zelebrierte Familienmodell, doch Politik »gemacht« wurde meist anderenorts.
Nur keine Experimente!
Die Bilder
Die Kargheit seiner Sprache hat man Adenauer oft vorgeworfen; aber das Geheimnis seiner Person und Wirkung haben uns auch die Beredten und Wortreichen nicht restlos darlegen können; als der alte Herr, in die Unerreichbarkeit wie in einen Mantel gehüllt, aus seinem hohen Amte Schritt, war er im Grunde geheimnisvoller als an dem Tag, da er es antrat.
Janko von Musulin
Eine gewisse Neigung zur Einsamkeit ist absolut notwendig für die ruhige geistige Entwicklung sowohl als für das wirkliche Glück überhaupt.
Carl Hilty
Seine Religiosität verband sich mit seiner Ehrfurcht vor den Wundern der Natur, die für ihn überlebenswichtig war und in der er Kraft tankte, vor allem in den Jahren seines politischen Exils.
Libet Werhahn
Strenge elterliche Zucht hatte die natürliche Auflehnung des Sohnes gegen die Vaterwelt in eine seelische Nische gedrängt, den häuslichen Garten und das Erfinderzimmer.
Gösta v. Uexküll
Überhaupt verteidigte er sein Haus und seinen Garten in Rhöndorf eisern und erfolgreich gegen alle Einflüsse aus Bonn.
Anneliese Poppinga

Der Prototyp des »Elektrischen Insektentöters«, ein Konzept aus den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts.
Einigen Ärger für den Hobby-Bastler brachte der »elektrische Insektentöter«. (…) Um herauszufinden, welche Stromstärke den schädlichen Insekten den Garaus machte, mussten, so heißt es, Tausende von Mehlwürmern ihr Leben lassen.
G/GESCHICHTE, Heft: Der Alte – Die Ära Adenauer
Keine Experimente
Wahlplakat der CDU

Neonleuchte an der Bocciabahn im Garten des Adenauerhauses. Adenauer spielte zur Entspannung oft in den späten Abendstunden.
Vater liebte dieses Spiel, und auch wenn er sonntags total erschöpft war, wollte er nach dem Tee unbedingt Boccia spielen. Wenn wir jedoch merkten, dass er mittags schlecht geschlafen hatte und angespannt war, mussten wir dafür sorgen, dass er gewann. (…) Er war kein guter Verlierer (…).
Libet Werhahn
Diese beiden Extreme, das Harte, Entschlossene und das Weiche, Verwundbare, waren in dem einen Menschen, und aus diesem Dualismus erkläre ich mir die Dynamik, die von ihm ausging, die Explosivität, deren ich manches Mal Zeuge wurde, die Spannkraft, die überhaupt die Bewältigung der ungeheuren Arbeitsfülle ermöglichte, die Produktivität seiner Gedanken und Vorstellungen.
Anneliese Poppinga
Adenauers Gesichtsausdruck konnte im Laufe eines Gespräches hundertmal wechseln. (…) Aufgeräumtheit wechselte mit Einsilbigkeit, Frische und Witz mit düsterem Ernst. Adenauer kannte Liebe und Haß, Freude und Stolz, Eifersucht und Ehrfurcht.
Horst Osterheld