Adenauer{welt} | Tragödie

Leerstellen

 

Ein Bild wird erwartet. Es fehlt. Im Arbeitszimmer. Auf dem Schreibtisch.

Köln im Jahre 1944. Tag der Silbernen Hochzeit des Ehepaars Auguste und Konrad Adenauer, Fest des Lebens und der Erinnerungen.

Was für eine glückliche Wendung, damals, kurz nach dem Ersten Weltkrieg, als der {Junge Witwer} und {Alleinerziehende Vater} die Auguste fand. Denn zwei Jahre zuvor wurde der {Strebsame Familienmensch} von einer Katastrophe heimgesucht. 1916, wenige Monate vor der Wahl zum {Kölner Oberbürgermeister}, starb seine erste Frau Emma. Doch dann trat Gussie Zinsser, eine junge Frau aus den besten Kreisen mit starkem Interesse an religiösen Fragen und Gartenbau in sein Leben. Glückliche Tage. Produktive Tage.

Entsetzliche Tage. Denn das Ehepaar verbringt seinen Hochzeitstag im Gestapo-Gefängnis Köln-Brauweiler. Und keiner weiß vom Schicksal des anderen. Was war geschehen?

Seit 1936 führte Adenauer in Rhöndorf ein relativ unbehelligtes Leben als Pensionär. Nach den Tagen der Drangsalierung durch die Nationalsozialisten und bedrückenden menschlichen Erfahrungen mit ehemaligen Kölner Weggefährten kommt der {Zutiefst Verbitterte} etwas zur Ruhe. Doch im Jahre 1944 wird er in der Folge des 20. Juli verhaftet. Mit Unterstützung des Kommunisten Eugen Zander gelingt ihm die Flucht aus dem Kölner Messelager. Gussie Adenauer, tief religiös und dem Gatten treu verbunden, wird festgenommen und massiv unter Druck gesetzt. Schließlich verrät sie das Versteck ihres Mannes, der erneut verhaftet wird. Wenig später sieht sich das Ehepaar Adenauer, dem keine Beziehung zum Widerstand nachgewiesen werden kann, in Freiheit wieder.

Auguste Adenauer wird 1948 sterben. Im Rhöndorfer Haus irritiert ein Waschbecken, in das kein schmutziges Wasser geschüttet wurde.

 

Die Bilder

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Gemälde im Arbeitszimmer des Adenauerhauses.

 (…) die Arbeit war mir ein Narkotikum für mein Leid.
Konrad Adenauer

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Absperr-Seil im Treppenhaus zum Obergeschoss.

Am Morgen des 24. September (1944) erschienen zwei Unbekannte im Haus am Zennigsweg. Frau Adenauer war mit ihrer Tochter Libet allein (…)
»Gestapo«, flüsterte Libet der Mutter zu, als sie die Erschreckte aus der Küche herausholte. (…) Als Frau Adenauer erschien, wandte sich der Dicke sofort an sie. »Wo ist Ihr Mann?« fragte er, ohne jede Einleitung.
Paul Weymar

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Ausschnitt aus dem als Rosenstrauch dargestellten Stammbaum der Familie Adenauer im Flur (Adenauer mit seinen Ehefrauen Emma und Auguste).

In Brauweiler wartete ich im Besuchszimmer auf meine Mutter. (…) Als ich sie sah, erschrak ich. Ihre Haare waren mit einer Kordel hinten zusammengebunden, ihre Augen waren tiefdunkel umschattet und sie sah entsetzlich leidend aus. Wie ich erfuhr, hatte sie kurz zuvor versucht, sich das Leben zu nehmen, weil sie sich schuldig fühlte, dass sie den Vater verraten hatte.
Libet Werhahn

Laß gut sein, Gussi(e) (…), wir stehen alle in Gottes Hand.
Konrad Adenauer zu Auguste Adenauer

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Blick vom Sessel über den Schreibtisch Adenauers im Arbeitszimmer.

Zu der Zeit (…) begann meine Mutter ernsthaft zu erkranken – eine Spätfolge ihrer Tablettenvergiftung in Brauweiler (…). (…) und so starb sie schließlich sehr qualvoll am 3. März 1948 im Beisein meines Vaters und von uns Kindern. Und unser Vater fiel (…) für mehrere Tage komplett aus. Er schloss sich ein und war für uns überhaupt nicht mehr erreichbar.
Libet Werhahn

Meine Mutter prägte die häusliche Atmosphäre bei uns durch den heiteren und lebensbejahenden Lebensstil, den sie aus ihrem eigenen Elternhaus kannte. (…) In ihrer warmherzigen Art sorgte sie für ein fröhliches und abwechslungsreiches Familienleben, bei dem gemeinsames Musizieren und Lesen sowie die Liebe zur Natur und zu allem Schönen im Mittelpunkt stand.
Libet Werhahn

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Im Arbeitszimmer: Den Bronzeleuchter nahm Adenauer nach Kriegsende 1945 bei einem Besuch der ehemaligen Gestapozentrale in Köln als Erinnerungsobjekt an die Schreckenszeit mit. Das Foto zeigt ihn zehn Jahre später beim Urlaub mit seiner Tochter Ria in der Schweiz.

Wissen Sie, Eugen, ich bin ursprünglich weich und empfindsam gewesen, aber der Umgang mit den Menschen hat mich hart gemacht.
Konrad Adenauer zu seinem Mithäftling Eugen Zander

Es ist schwer, die Menschen zu kennen und sie nicht zu verachten.
Konrad Adenauer

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Waschbecken im Eingangsbereich des Adenauerhauses.

Ich kann kein schmutziges Wasser wegschütten, wenn ich kein sauberes habe.
Konrad Adenauer zum Problem personeller »NS-Altlasten«

Adenauer hatte also seine sehr eigene Art, mit der jüngsten Vergangenheit fertig zu werden. Diese aus einer Mischung von Opportunismus, Einsicht in die schwache Menschennatur und Zynismus erwachsende Toleranz ist (…) stark kritisiert worden. Manche wollen darin bis heute den gravierendsten moralischen Makel der Ära Adenauer erkennen.
Hans-Peter Schwarz

Vielleicht empfand er selbst in einem Winkel seines Bewußtseins seine Reaktion auf die Hitler-Zeit als ungenügend und legte darum so großen Wert auf eine Aussöhnung mit den Juden und mit ihrem Staate Israel.
Gösta v. Uexküll