Fortschreitender Stillstand
Kein anderer Gegenstand erinnert Libet Werhahn, Tochter Konrad Adenauers, eindringlicher an ihren Vater als die Uhr im Biedermeier-Gehäuse. Die fortschreitende Bewegung des Pendels zwingt die Gegenwart in einen Ort, an dem die Zeit still zu stehen scheint.
Gelebt hat hier eine Großfamilie, die materiellen Spuren an der Oberfläche verweisen auf den {Patriarchen}. Manches ist offensichtlich und kaum Fassade, tritt vor das Hintergrundrauschen der faltigen Wandbespannung. Die Liebe zur Natur, zum Rheinland und zur sakralen Kunst. Die eindeutigen Botschaften des großbürgerlichen Mobiliars und der Objekte, die an die Erfolge des {Homo Politicus} erinnern. Schließlich stille, spartanische Verweise auf die bescheidene Herkunft, auch sie Wegmarken eines langen Lebens, das im 19. Jahrhundert begann.
Nach dem erzwungenen Rückzug aus Köln wurde das Haus am Rhöndorfer Zennigsweg zur Zweiten Heimat. Hier war das Zuhause. Es wurde gelebt, geliebt, gedacht, geplant, gestritten, gelitten. Ein schwieriges Familienleben im Gravitationsfeld des {Disziplinierten, Gläubigen, Liebevollen, Strengen, Gütigen, Strafenden}.
Das »Adenauerhaus« ist Ausgangspunkt einer Spurensuche im »Nahbereich« des {Alten aus Rhöndorf}. Wertfreie Urteile sind kaum zu erwarten. Der Mythos ist übermächtig, die Person provoziert Verehrung oder Widerspruch.
Die Bilder

Blick von Norden auf die Drachenburg bei Königswinter und das Rheintal. Das Adenauerhaus (hier vom Siebengebirge verdeckt) befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Drachenfels; sein Trachytgestein wurde im Kölner Dom verbaut.
Das schafft einen weiten Horizont, man kann den Sonnenuntergang beobachten, überhaupt den Gang der Sonne während des ganzen Jahres. Man sieht so viel vom Himmel. Immer wieder sind die Wolken anders, immer überrascht die Färbung des Himmels von neuem.
Konrad Adenauer zu Anneliese Poppinga
Konrad Adenauer war Rheinländer. Die Landschaft seiner Geburt hat ihn über ein weitgespanntes Leben hinweg nicht losgelassen.
Er war ein Augenmensch, Bilder und Landschaften bewegten ihn.
Wilhelm von Sternburg
Wenn es überhaupt einen gab, der seit seiner Studentenzeit durch den Geist der Wilhelminischen Ära mit allem, was sie an Widersprüchen barg, tief geprägt wurde, so ist dies der (…) fünf Jahre nach Gründung des Bismarckreichs geborene Adenauer.
Hans-Peter Schwarz
(…) im Rhöndorfer Zennigsweg herrschte ein Patriarch, der nur wenig Widerspruch ertragen konnte, der mit Strenge über die Einhaltung der bürgerlichen Ordnung (…) wachte.
Wilhelm von Sternburg
Mal ein paar Stunden ohne Widerspruch, das hat er sich gewünscht. Widerspruch aber gehörte eigentlich bei den Adenauers immer dazu, damit sind wir geboren, damit sind wir aufgewachsen.
Georg Adenauer
Wenn Vater jedoch etwas wirklich hasste, so waren es Lügen. Die wurden bei uns streng bestraft.
Libet Werhahn
Ich unterscheide drei Stufen der Wahrheit: Die einfache Wahrheit, die reine Wahrheit und die lautere Wahrheit.
Konrad Adenauer
Wir hatten zu Hause drei alte Standuhren (…), die regelmäßig aufgezogen werden mussten. Das war eine heilige Handlung, die nur mein Vater vollzog.
Libet Werhahn
Ich bin nicht übermäßig klug (…). Fleiß, Ausdauer und Geduld. (…) Soll ich Ihnen einmal etwas verraten? Mein konsequentes, zielbewußtes Arbeiten mein Leben lang ist eigentlich meine beste Tugend, und dazu Beobachtung und gesunde Skepsis (…).
Konrad Adenauer zu Anneliese Poppinga
Bei der beispielhaften Selbstzucht Adenauers spielte die Ordnung eine erhebliche Rolle. (…) Er war ein Mensch, der Ordnung hielt, Ordnung brauchte und seine Umwelt ordnete. Ohne Ordnung hätte er sein Werk nicht schaffen können.
Horst Osterheld
Mein oberstes Gesetz war immer etwas, was mein Vater uns eingeprägt hat: Seine Pflicht erfüllen.
Konrad Adenauer in The New York Times (1955)
Die Familie ist im Grunde die Kraft und die Macht, die allein das Leben lebenswert macht. Die Festigung der Familie, ihr Zusammenhalt besonders gerade in unserer zerrissenen Zeit, ist ein durch nichts zu ersetzendes Gut.
Konrad Adenauer

Stehlampe im Wohnzimmer, dahinter ein Gemälde aus der Schule Caravaggio (»Engel überbringt einer Heiligen eine Hostie«, um 1600).
Adenauer war (…) ein deutscher Bildungsbürger, der in der Kunst Harmonie suchte.
Wilhelm von Sternburg
Generell war in der Familie Hauptthema der Glaube, die Bibel und ihre Auslegung.
Georg Adenauer

Römische Wölfin (Bronzeplastik), ein Geschenk der Stadt Rom anlässlich Adenauers Staatsbesuch im Jahre 1951. Die allgegenwärtige Wandbespannung ließ Adenauer zur Hebung der Gemütlichkeit und der Wirkung der Gemälde anbringen. Außerdem ist sie waschbar und ökonomisch – häufiges Streichen entfällt.
Wer Europa verneint, liefert die Völker Westeuropas, insbesondere unser deutsches Volk, der Knechtschaft durch den Bolschewismus aus. Wer Europa verneint, ist der Totengräber des deutschen Volkes, weil er dem deutschen Volk die einzige Möglichkeit nimmt, sein Leben, so wie es ihm wertvoll und teuer ist, sein freies, auf christlichen Grundsätzen aufgebautes Leben fortzuführen.
Konrad Adenauer im Deutschen Bundestag (1952)
Es war wirklich schwer – und schrecklich. Mit dem Tod meiner Mutter im März 1948 brach hier alles zusammen. (…) Wir hatten zwar eine Köchin, aber dem Haus fehlte die Frau, die Mutter (…).
Georg Adenauer
Andere zu überzeugen war Vaters Stärke, und er übte diese Kunst selbst im engsten Familienkreise. Dadurch hielt er, auch bei uns Kindern, immer die Fiktion völliger Freiheit aufrecht, denn alle seine Maßnahmen waren wohlbegründet. In Wirklichkeit aber herrschte er so absolut wie ein biblischer Erzvater.
Konrad Adenauer jr.
Er wächst auf, lebt und stirbt als ein »Familientier«.
Hans-Peter Schwarz